Der EinfachMalSingenChor für Menschen mit und ohne Demenz

 

Vortrag und Praxis-Workshop mit Joachim Kottman

 

Im Rahmen der chor.com 2024 in Hannover

 

 

 

Teil 1: „Warmup und Inspektion“

 

Einstieg mit Rhythmical

 

1 2 3 4

 

1 und 2 und 3 und 4 und

 

è Mit verschiedenen Klatsch-Rhythmen

 

è Mit Text „Hallo“ – Klatsch – „Na wie geht´s?“

 

Wochentage-Splitting

 

Meeresrauschen & Ton pflücken

 

Rosenparfüm mit Textvariante

 

Add-On: Empfehlung Rhythm Starters oder Warmups von Richard Filz

 

 

 

Teil 2: „Vorstellung und Reflektion“

 

Kurze Vorstellung, wer bin ich und warum mache ich das?

 

-          Joachim Kottmann, Jahrgang 1971, Musicalautor und Komponist, Kulturagent für kreative Schulen, Chorleiter des Jazz- und Popchor „chorwärts“ und der „Lantemicker Männersänger“; Mitbegründer des Projektes EinfachMalSingenChores für Menschen mit und ohne Demenz im April 2014 ; Autor und Komponist des Musicals „Socken im Kühlschrank – das Dementical“

 

 

 

Reflektion über den Anfang:

 

-          Was waren das für Rituale und Warmups und wieso?

 

o   Etwas zum Festhalten;

 

o   zum drauf freuen;

 

o   zum Hallo sagen ohne zu Reden

 

 

 

-          Was hab ich in den ersten 5-10 Minuten erkannt?

 

o   Wie fit ist die gesamte Gruppe, wo sitzen die „Leistungsträger*innen“

 

o   Wen überfordere ich schon mit den ersten Übungen

 

o   Auf welche Reizworte wird reagiert (z.B. Kommt bei dem Wort Schlager eher ein „ohja“ oder ein Aufstöhnen als Reaktion?)

 

o   Wo sitzen „Paare“ aus Pflegendem und dementem Partner

 

 

 

-          Was folgt daraus?

 

o   Mein Anspruch in der Probe ändert sich sofort; z.B. verzichte ich auf Mehrstimmigkeit oder auf englische Texte wenn ich merke, das Level passt nicht

 

o   Bei abwesend schauenden Menschen versuche ich beim Spielen Blickkontakt aufzunehmen. Oft beginnt der Mund dann meine Bewegung zu kopieren und darüber kommt dann auf einmal der Gesang

 

o   Ich versuche einzuordnen, ob die Reaktion auf bestimmte Titel oder Worte nur von Einzelpersonen kommen (nicht immer sind die „Lauten“ auch die „Meisten“ und oft sind es auch nicht die „Wichtigsten“). Manchmal hake ich deshalb ganz bewusst nach.

 

o   Ich versuche mit der pflegenden Person „zwischen den Zeilen“ Kontakt aufzunehmen, um herauszufinden, welche Songs/Musikrichtung für en „Partner“ passen könnte

 

 

 

Teil 3: „Etwas Neues wagen“

 

In der ersten Phase wurden wir gefördert vom Demenz-Service-Zenrum; Förderbedingung: nicht nur „alte Hüte, sondern auch neues lernen und verknüpfen“.

 

è Eine Klangfläche Quelle: Chor kreativ (Michael Betzner); Produkt: Bosse-Verlag

 

è Ein „unbekanntes“ Lied oder Kanon;  Gröger, Gies und Co Neue Kanons: https://www.olivergies.de/chor-sammelbaende/id-33-neue-kanons.html

 

è Jahreszeiten-Kanons: Sammlungen von Gabriele Westhoff: https://www.gabrielewesthoff.de/publikationen/

 

o   z.B. Ich lieb die Blumen / Ich lieb den Frühling / I like the flowers

 

o   Exkurs: Dumdida als Schleife singen und währenddessen Zuhören

 

è Rhythmical mit gesammelten Herbstfrüchten / Obst / Blumensorten spontan erfinden

 

 

 

Lied mit „falschem“ Text (z.B. Otto Waalkes „Friesischer Wein“)

 

Unauffällig eine Strophe von „Rote Lippen soll man küssen“ in „Liebeskummer lohnt sich nicht“ einschmuggeln

 

Loopsong/Circlesong aus bekannten Liedzitaten z.B.

 

-          Mach dich auf und werde Licht (Kanon als Basis) & Laterne, Laterne & Hallo, na wie geht´s & Aber bitte mit Sahne & Highway to Hell

 

Quodlibet z.B.

 

      Es war eine Mutter die hatte vier Kinder & Winter adé (passt nicht 100%...trotzdem)

 

      Heißa, Kathreinerle & Oh du lieber Augustin

 

      Ein Heller und ein Batzen & Im Frühtau zu Berge

 

 

 

Reflektion: Warum etwas Neues?

 

-          „Neues“ kann unter Umständen zu Abwehr führen, daher immer gut beobachten und nicht um jeden Preis „durchziehen“ !!!

 

-          „Neues“ kann aber auch aktivieren, motivieren und erhalten

 

-          Besonders im ersten Stadium der Demenz wirkt das Entdecken von Neuem und das Lernen der fortschreitenden Demenz entgegen

 

WICHTIG: Dieser Punkt sollte am Besten im ersten Drittel der Probe liegen (höhere Aufmerksamkeit, noch nicht im „Wunschmodus“ gefangen)

 

 

 

Teil 4: „Spaßfaktor und Gesundheit“

 

Ich merke bei jeder Probe, dass das Singen mit den Menschen etwas macht. Man weiß ja inzwischen, dass Musik viel mehr bewirkt als nur schön zu sein oder Spaß zu machen:

 

-          Musik hat allgemein einen großen positiven Einfluss auf die Gesundheit (s. Good Virbrations: Die heilende Kraft der Musik von Prof. Stefan Kölsch)

 

-          Durch das Zusammenwirken von Liedtext (Sinn), Atmung und Klang hat Gesang da besondere Stärken

 

-          Besonders Lieder sind sehr tief abgespeichert und sind noch lange abrufbar, wenn schon viele Erinnerungen schon schwer zu erreichen sind

 

 

 

Selbstversuch: An ein schönes Lied denken und dabei Schweigen

 

Weglass-Lied (Wanze, Jetzt fahrn wir übern See)

 

Bruder Jakob international

 

 

 

Teil 5 „Triggerthemen, Wunschseil und Absingen“

 

Jahreszeiten – Reisen – See und Meer (Seemannslieder) – Berge – Ufafilme – Feste (Karneval, Weihnachten)

 

Trigger-Zeitraum: Wann waren die TN zwischen 13 und 17 Jahre alt? Was für Musik war da gerade aktuell?

 

Das Wunschseil, spontane Wunschrunde

 

Das „Absingen“

 

In der letzten Phase der Probe: Schlager-Ecke und Volkslieder

 

Klassiker sind z.B. Liebeskummer lohnt sich nicht, Rote Lippen soll man küssen oder von Udo Jürgens: Aber bitte mit Sahne, Ich war noch niemals in N.Y., Griechischer Wein; aber auch Beatles, sofern englisch kein Problem ist

 

Beatles Medley

 

 

 

Teil 6 „Zu guter Letzt“

 

Mögliche Partner als Träger: Pflegeheime, Musikschulen, Veranstaltungsstätten,

 

Mögliche Organisationshilfen: Volkshochschulen

 

Mögliche Unterstützer: Service-Clubs, Sparkassen, Landrat,

 

 

 

Als Chorleitungen: Grundschul-Lehrkräfte Musik, FÜ-Lehrende

 

 

 

ChorleiterSkills, die bei der Durchführung von großem Vorteil sind:

 

-          Viele Lieder kennen, aber vor allem auch spontan offen für neue Lieder sein. Bei jeder Probe lerne ich 2-3 Lieder neu kennen

 

-          Persönliche und offene Ansprache

 

-          Blickkontakt (!!!!!)

 

-          Technik-Affinität (Laptop, Internet zur chords-Recherche, oder Presenter, Beamer); sorgen Sie für eine gute Internetverbindung für spontane Liedwünsche

 

 

 

Quellen für Noten und Leadsheets:

 

Das Ding (Dux)

 

Gabriele Westhoff: Liedersammlung zu Jahreszeiten / Themen (fidula)

 

Rhythm Starters oder Warmups z.B. von Richard Filz

 

Silberklang light von Jutta Michel-Becher (Schott)

 

Einfach Singen von Christiane Hrasky u.a. (Strube)

 

High Fossility von Michael Betzner-Brandt (Bosse)

 

tabs.ultimate-guitar (Text mit Akkorden)

 

Lieder-Archiv (Notenblatt mit Akkorden und vielen zusätzlichen Informationen

 

Infos, Fortbildungen, Literatur und Co:
Deutsche Gesellschaft für Musikgeragogik: Praxismaterial zum Singen im Alter

Nordbayrischer Musikbund: Infos und Fortbildungen zum Demenzsensiblen Musizieren

 

Filme:    Coco, A Song for Marion, Heaven can Wait, Young@Heart

 

Bücher: Goldkehlchen (Roman von Adriana Popescu),

 

  Der alte König in seinem Exil (dokumentarische Erzählung von Arno Geiger)

 

Wissenschaftlich: Good Vibrations (Prof. Stefan Kölsch)

Musical: Socken im Kühlschrank - das Dementical (Joachim Kottmann)